Mit pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen ermöglicht die Diakonie Sozialstation Kulmbach hunderten von Patientinnen und Patienten ein Leben innerhalb der eigenen vier Wände. Die regelmäßigen Besuche der Fachkräfte bieten auch Struktur, Gespräch und Rat.
Für jede Wohnungs- und Haustür einen Schlüssel bei sich macht sich Margit Günther, Pflegefachfrau der Diakonie Sozialstation Kulmbach, kurz vor sechs Uhr morgens auf den Weg. Als sie die Schlüssel in das erste Türschloss stecken möchte, verlässt eine junge Frau eilig das Haus aus dem Weg zur Arbeit. „Ich freue mich schon jetzt, später wieder zu Hause zu sein“, seufzt sie. Margit Günther schmunzelt. Zuhause, das ist eben ein Schatz - auch für die Patientinnen und Patienten der Diakonie Sozialstation. Durch die Unterstützung der Pflegekräfte können die Frauen und Männer, die Pflege bedürfen, lange in ihren eigenen vier Wänden wohnen. Dafür sind die Patientinnen und Patienten dankbar. Ihre Herzlichkeit, „Schön, dass Sie da sind“, trifft auf die von Margit Günther, die sich voller Profession, Geduld und menschlicher Nähe um die Seniorinnen und Senioren kümmert, die durch Alter oder Krankheit Unterstützung benötigen. Aber auch chronisch-kranke Patienten und erkrankte Kinder nehmen vereinzelt die Leistungen der Sozialstation in Anspruch – zu jeder Tageszeit.
Die derzeit 22 Mitarbeitenden sind auf vier Frühtouren ab 5.45 Uhr, zwei Spättouren sowie drei komprimierte Wochenendtouren aufgeteilt. Ihr Radius umfasst die Stadt Kulmbach sowie einen Umkreis von rund fünf Kilometern. Die Sozialstation ist außerdem tagsüber immer erreichbar, eine Nachtbereitschaft deckt Notfälle ab.
Pflegekräfte sind Gäste im Haus
Wenn man viel Zeit miteinander verbringt, verbindet das. Das Verhältnis zwischen den Pflegekräften und den Patientinnen und Patienten ist jedoch ein ganz Besonderes: „Wir sind Gäste im Haus“, betont Reinhard Mücke, Leiter der Sozialstation und aktiv mit auf Tour. „Wir passen uns den Patienten an und nicht andersherum.“ Die Bezugspflege, das heißt, dass in der Regel Mitarbeitende bestimmten Patienten zugeordnet sind und diese betreuen, ist in diesem Fall unabdingbar und gewinnbringend: „Ich spüre die Freude der Menschen, wenn ich durch die Tür komme. Ich bin eine enge Vertrauensperson und manchmal auch Geheimnisträger. Die Patienten wissen, dass ich in meiner Funktion eine andere Sichtweise mitbringe als etwa Angehörige und auf Wunsch nichts nach außen trage“, so Margit Günther. Ein ebensolches Versprechen leisten ihre Kolleginnen und Kollegen.
Das gemischte Team besteht aus examinierten Alten- oder Krankenpflegerinnen. Unterstützung erhalten sie durch Pflegefachhelferinnen und –helfer sowie Auszubildende, die im Rahmen der generalistischen Pflegeausbildung verschiedene Betriebe durchlaufen. Sie begleiten die Pflegefachkräfte. „Neue Gesichter, neue Themen“, weiß Margit Günther. Die Auszubildenden merken gleich: In der Sozialstation sind Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und manchmal auch Kreativität gefragt. Viele Akteure beeinflussen hier die Pflege. Der strukturelle Rahmen eines Seniorenpflegeheims ist nicht vorhanden. Die Mitarbeitenden tauchen in das ganz persönliche Lebensumfeld der Patientinnen und Patienten ein. „Da gehört es auch mal dazu, ein Haustier zu füttern, den Müll rauszustellen oder eine Glühbirne zu wechseln,“ lacht Margit Günther . „Wer eigenständig arbeiten kann und Verantwortung zu schätzen weiß, der ist hier genau richtig“, betont Reinhard Mücke.
Individuelle Leistungen
Die pflegerischen Leistungen der Sozialstation wählen die Patientinnen und Patienten, in vielen Fällen gemeinsam mit ihren Angehörigen, individuell aus. Auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Demenzbetreuung sind möglich. Je nach Pflegegrad übernehmen Pflegekassen die Kosten für die Leistungen. Hinzu kommen die Leistungen, die privat bezahlt werden. Auch die Dauer der Pflege wird von verschiedenen Faktoren bestimmt: Solange eine Pflege zu Hause aus medizinischer Hinsicht vertretbar ist und sich Patienten kooperativ zeigen, können die Leistungen der Diakonie Sozialstation in Anspruch genommen werden. Vereinzelt können jedoch Frust und psychische Probleme der Patientinnen und Patienten die Pflege beeinflussen. Die Pflegekräfte suchen das Gespräch mit Angehörigen, wenn diese vor Ort sind. „Wir müssen auch viel ausgleichen, vermitteln und die richtigen Worte in schwierigen Situationen finden“, weiß Reinhard Mücke.
Bedarf wächst
Der Bedarf an ambulanter Pflege wird in den nächsten Jahren stetig zunehmen. Dabei werden den Pflegekräften wohl noch mehr Dienstleistungen übertragen werden, blickt Reinhard Mücke nach vorne. Auch die Dokumentation wird für die Pflegekräfte noch mehr Raum einnehmen: Schon heute gibt das Zeitsystem zur digitalen Verwaltung auf dem Smartphone von Margit Günther die Besuchsreihenfolge, dortige Tätigkeiten und deren geplante Dauer vor: Herr Müller: Sieben Minuten, Frau Murrmann: 13 Minuten. „Das macht Menschen zu sozialen Stationen“, so Reinhard Mücke. Die Bemessungsgrenzen, wieviel Zeit bestimmte Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, sollten zudem überarbeitet werden, so der Leiter: „Vier Minuten für das Ankleiden. Der veranschlagte Zeitaufwand und die tatsächlich benötige Zeit klaffen oft weiter auseinander.“ Der Verwaltungsaufwand für die Abrechnung mit Pflegekassen- Krankenkassen- und Privatpersonen sei enorm hoch. Auf der anderen Seite benötigt auch die Sozialstation neue Fachkräfte, die wohl so viele verschiedene Rollen in sich vereinen wie kaum ein anderer Beruf in diesem besonderen Rahmen „Zuhause“: „Mal spenden wir Trost, mal bringen wir die Menschen zum Lachen, mal finden wir klare Worte. Wir sind da, wenn sie uns brauchen“, so Margit Günther.
Informationen auch unter diakonie-kulmbach.de/sozialstation/