Die erste eigene Wohnung

  • Diakonie Kulmbach

– ein Ziel auch für Menschen mit Behinderung

In der Wohngemeinschaft Oberhacken der Diakonie Kulmbach werden Bewohnerinnen und Bewohner mit einem hohen Selbstständigkeitsgrad auf eine ambulant betreute Wohnform vorbereitet. Für manche Frauen und Männer bedeuten der Auszug und das zukünftige Leben mehr Teilhabe, andere kehren wieder in die Wohngemeinschaft zurück. Warum Ziele und Erfahrungen wichtig sind.

„Die jungen Wilden“ in den 20igern, nennt Adrian Schiepert einen Teil der Frauen und Männer in der Wohngemeinschaft Oberhacken der Diakonie Kulmbach. Einige von ihnen haben das Ziel, bald in eine ambulant betreute Wohnform zu wechseln. „Sie arbeiten, sie treffen Freunde, sie machen Sport – all das, was junge Erwachsene eben machen. Und da gehört auch das Ausziehen irgendwann dazu, auch für Menschen mit Behinderung“, so der Leiter. Doch nicht immer ist dieser Wunsch an ein bestimmtes Alter geknüpft: Auch einige ältere Mitglieder der Wohngemeinschaft wollen sich diesen Traum erfüllen.

Dafür und weil Selbstständigkeit auch Selbstbewusstsein gibt, lernen alle der insgesamt 13 Bewohnerinnen und Bewohner mit hohem Selbstständigkeitsgrad die vielfältigen Aufgaben in ihrem Leben zu meistern. Individuelle Wochenpläne veranschaulichen diese. Sie beinhalten etwa die Körperpflege, das Wäsche waschen und Einkaufen, bei Bedarf die Medikamentenversorgung, die Ordnung und Grundsauberkeit in ihren Zimmern oder Apartments. Auch der Umgang mit Geld und das Zubereiten gesunder ausgewogener Mahlzeiten sollen die Frauen und Männer lernen. Dafür kochen sie regelmäßig gemeinsam mit dem Team von Mitarbeitenden. „Es machen immer wieder andere Bewohnerinnen und Bewohner mit, nicht immer sind alle da“, erzählt Adrian Schiepert. Denn Selbstständigkeit bedeutet auch, die Freizeit vor und nach der Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder sogenannten „ausgelagerten Arbeitsplätzen“ selbst gestalten zu können. Manche Bewohnerinnen und Bewohner treffen sich nach Feierabend mit Freunden, nehmen Termine beim Arzt oder Ämtern wahr, andere gehen spazieren, bringen Bekannte mit ihn die Gruppe oder treiben Sport. Dafür nutzen sie oft die öffentlichen Verkehrsmittel. Auch diese Abläufe haben sie zuvor mit dem Team eingeübt.

Dazu kommen regelmäßige Gruppenangebote, etwa Ausflüge, Theater- oder Konzertbesuche oder ein Stammtisch.

Gespräche helfen

Die Interessen und selbst gesteckten Ziele sind vielfältig: So möchte zum Beispiel ein Bewohner bald seinen Führerschein erlangen. Mit dem Lernen für die Theorieprüfung hat er bereits begonnen. „Die Menschen stecken sich Ziele wie andere Menschen auch. Das ist wichtig und das gibt Kraft!“ Das Team unterstützt gerne „beim Pauken“ und erklärt die beschriebenen Sachverhalte in einfacher Sprache. „Wir erinnern sie aber nicht jeden Tag ans Lernen“, erklärt Adrian Schiepert. „Denn Disziplin gehört ein Stück weit auch zur Selbstständigkeit dazu.“

Ist sowohl das Team als auch die gesetzliche Betreuung davon überzeugt, dass die Bewohnerin oder der Bewohner den Schritt in die eigene Wohnung meistern kann und ist es der ausgesprochene Wunsch des Bewohners, beginnt die Wohnungssuche. Doch der aktuelle Wohnungsmarkt in Kulmbach bringt Herausforderungen mit sich: „Die Wohnungssuche ist schwer. Kleine Wohnungen, die auch günstig sind, dass sie sie Grundsicherung abdeckt, sind nicht leicht zu finden“, so der Leiter der Wohngemeinschaft. Die Offenen Behindertenarbeit OBA der Diakonie Kulmbach unterstützt hierbei auf Wunsch und begleitet die Frauen und Männer im ambulant betreuten Wohnen weiter. Dabei ist der Mensch mit Behinderung selbst Mieter oder Eigentümer. Für eine dem Bedarf entsprechende festgelegte Zeit pro Woche leisten die Mitarbeitenden Hilfestellung.
In anderen Fällen finden die Menschen mit Behinderung und ihre Betreuungskräfte selbst eine geeignete Wohnung.

Wohngemeinschaft bedeutet auch Geselligkeit

Immer wieder erleben Menschen aus der Wohngemeinschaft Oberhacken das Glück und das große Freiheitsgefühl der ersten eigenen Wohnung. Viele richten sich ihr „eigenes Reich“ mit viel Liebe und Stolz ein. Sie schaffen sich selbst Strukturen für all die Pflichten, die es im eigenen Haushalt zu erledigen gibt. Sie laden Freunde ein und genießen ihre Selbstständigkeit. Doch es kann auch anders kommen: Anders als in der Wohngemeinschaft, wo man immer von Menschen umgeben war und Ansprechpartner hatte, kann auch Einsamkeit Einzug halten. „Das wiederum öffnet Türen für Beeinflussung durch problematische Kontakte“, weiß Adrian Schiepert.
Manche von ihnen kehren nach diesen Erfahrungen in die Wohngemeinschaft zurück.

 „Wir unterstützen Menschen mit Behinderung in ihrem Ziel, in einer eigenen Wohnung zu leben. Wir bieten aber auch all denjenigen ein zu Hause, die in der Wohngemeinschaft bleiben wollen bis sie alt sind“, lächelt Adrian Schiepert in Gedanken an so manch älteren Bewohnerin und älteren Bewohner. „Und wir schaffen ihnen einen Platz im Kulmbacher Leben.“

Die Diakonie Kulmbach bietet neben der Wohngemeinschaft Oberhacken auch in den Wohngemeinschaften Melkendorf, Wohnen an der Dobrach und Herramhof insgesamt 74 Menschen ein zu Hause. Die Offenen Behindertenarbeit OBA sowie die Seniorentagesstätte SENTA und das neue Angebot „Arbeit 4.0“ vervollständigen das Angebot und die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung.

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